10 Punkte Plan der Bausparkassen
10 Forderungen der deutschen Bausparkassen
zur Wohnungspolitik1
Baupreisexplosion, fehlende Handwerker, Lieferkettenprobleme, Rekordinflation und drei Jahre
Realeinkommensverlust in Folge, eine Million zusätzliche Einwohner 2022: Man muss der „Ampel“
zugestehen, dass wir heute eine ganz andere Situation haben als bei Verabschiedung des
Koalitionsvertrags. Erforderlich ist deshalb eine neue Kraftanstrengung von Bund, Ländern und
Gemeinden. Dazu gehören folgende Maßnahmen:
1. Stärkerer Fokus auf Wohneigentumsbildung als Wohnraumschaffer: Der Beitrag der
Wohneigentumsbildung zur Entlastung angespannter Mietwohnungsmärkte wird immer noch
unterschätzt. Fakt ist: Allein die Zahl der jährlich neu gebauten Wohnungen in 1- und 2-
Familienhäusern liegt deutlich über der von Mietwohnungen in neu gebauten
Mehrfamilienhäusern. Eigentumswohnungen, die größtenteils vermietet werden, kommen noch
hinzu. Wer in eigene vier Wände zieht, macht üblicherweise eine größere Mietwohnung frei.
Wohneigentumsbildung ist damit der Wohnraumschaffer Nr. 1 in Deutschland. Die
Umzugsketten sind heute aber vielfach unterbrochen. Mieter, die eigentlich Wohneigentum
erwerben wollen, warten angesichts hoher Immobilienpreise und deutlich gestiegener Bauzinsen
ab. Deutlich steigende Mieten sind die Folge. Das zeigt: Wohnen im Eigentum und Wohnen zur
Miete sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.
• Die „Ampel“ muss auf die neue Situation reagieren – nicht, um individuelle Träume zu
erfüllen, sondern aus einer sozialen Verpflichtung heraus. Wohneigentum entlastet nicht nur
angespannte (Miet-)Wohnungsmärkte. Es ist auch der klassische Einstieg in den
Vermögensaufbau und macht die Vermögensverteilung gerechter. Mietfreies Wohnen im
Alter entlastet die sozialen Sicherungssysteme.
• Das Ende September vorgestellte 14-Punkte-Papier ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Allerdings müssen weitere Schritte folgen.
2. Unterstützung beim Eigenkapitalaufbau: Haupthemmnis beim Wohneigentumserwerb ist
mangelndes Eigenkapital. Eigenkapital heißt: weniger Schulden, eine günstigere Zinskondition
und damit eine geringere Zins- und Tilgungslast. Aber heute haben 80 Prozent der jungen Eltern
im Alter von 30 bis 44 Jahre weniger als 50.000 Euro auf der hohen Kante. Damit müssen
zunächst die Nebenkosten, 10 bis 15 Prozent, beglichen werden. Für den eigentlichen Kaufpreis
bleibt hier kaum was übrig. Die „Ampel“ ist aufgerufen, die Sparfähigkeit und Sparbereitschaft
normalverdienender Haushalte zu stärken. Dafür bietet sich die längst überfällige Verbesserung
der Arbeitnehmer-Sparzulage nach fast 25 Jahren Stillstand an:
• Die Einkommensgrenzen für die Arbeitnehmersparzulage (heute: 17.900 Euro / 35.800 Euro)
müssen einheitlich auf 35.000 Euro (Alleinstehende) bzw. 70.000 Euro (Paare) erhöht und
regelmäßig an die Inflation angepasst werden.
• Die Fördersätze müssen – bezogen auf die Alternative Beteiligungssparen –
diskriminierungsfrei angeglichen werden. Eine Erhöhung des Fördersatzes für Bausparen auf
20 Prozent wie beim Beteiligungssparen bietet sich an.
• Der Höchstbetrag der förderfähigen Sparleistungen (heute: 470 / 1.400 Euro) muss
einheitlich auf 700 Euro bzw. 1.400 Euro steigen.
3. Grundlegende Reform der staatlichen Eigenheimrente: Die staatlich geförderte Eigenheimrente
in Form des mietfreien Wohnens im Alter, oft Wohn-Riester genannt, hilft in der Sparphase beim
Eigenkapitalaufbau. In der Darlehensphase wirkt sie wie ein „Tilgungsturbo“. Die beim
Bundesfinanzministerium angesiedelte Fokusgruppe private Altersvorsorge hat sich mehrheitlich
dafür ausgesprochen, die bisherige Fördersystematik beizubehalten, zu vereinfachen und zu
erweitern. Die Eigenheimrente, zuletzt gestärkt durch die Möglichkeit, damit auch energetische
Modernisierungen zu finanzieren, behält ihren festen Platz im System der geförderten privaten
Altersvorsorge. Weitere positive Impulse kann die private Altersvorsorge durch die von der
Fokusgruppe aufgegriffenen Vorschläge bekommen – zum Beispiel die Ausweitung des
förderberechtigten Personenkreises auf Selbstständige, die Vereinheitlichung der Kinderzulage
und die Abschaffung der verpflichtenden Absicherung des Langlebigkeitsrisikos.
• Im parlamentarischen Verfahren gilt es, auch die Eigenheimrente zukunftsfest zu machen. Sie
muss im Zuge der geplanten Reform der Altersvorsorge grundlegend vereinfacht werden.
• Weil viele Menschen nicht in der Lage sind, gleichzeitig auf zwei Wegen für ihr Alter
vorzusorgen, mit einer Geldrente und einer Eigenheimrente, muss die Eigenheimrente eine
frei wählbare und gleichberechtigte Alternative zu einer wie auch immer gearteten privaten
Geldrente bleiben.
4. Entlastung bei den Kaufnebenkosten: Die Kaufnebenkosten sind zu hoch. Gefordert ist deshalb
die rasche Umsetzung des Koalitionsvorhabens, den Bundesländern die Einführung von
Freibeträgen bei der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen. Das
Bundesfinanzministerium hat im Juli 2023 einen Entwurf vorgelegt, der den Ländern hier eine
ausreichende Flexibilität ermöglichen soll. Das Vorhaben wurde auch im 14-Punkte-Papier
nochmals aufgegriffen. Zahlreiche Bundesländer fürchten jedoch Mindereinnahmen; manche
vielleicht auch einen verschärften Wettbewerb untereinander, wenn sich einige Bundesländer
Freibeträge leisten wollen oder können und andere nicht.
• Inwieweit Mehreinnahmen durch verstärkte Investitionen Steuerausfälle kompensieren, ist
zunächst nicht ganz klar. Wahrscheinlich braucht es eine gewisse Kompensation seitens des
Bundes (möglicherweise nicht nur durch Verschärfungen bei Share Deals, die ebenfalls
Gegenstand des Gesetzentwurfs sind), um einem Vorhaben, das schon zwei Mal im
Bundesrat gescheitert ist, tatsächlich zum Durchbruch zu verhelfen.
• Um dem Vorhaben neuen Schwung zu verleihen, könnte auch über eine Differenzierung
anhand von Energieeffizienzkriterien bei Gebäuden nachgedacht werden – angelehnt etwa
am Beispiel der Region Brüssel. Dort gibt es einen zusätzlichen Freibetrag von 25.000 Euro
bei einer Steigerung der Energieeffizienz – und zwar für jeden Schritt in der
Gebäudeklassifizierung nach vorn.
5. Kostensenkung durch Entbürokratisierung, Digitalisierung und Standardisierung: Die Politik
redet seit Jahren über Entbürokratisierung, Digitalisierung, Standardisierung und serielles Bauen,
mit denen sie die Kosten in den Griff bekommen will. 16 Landesbauordnungen machen die Sache
nicht einfach. Eine Musterbauordnung für ganz Deutschland lässt auf sich warten. In der EU gilt:
Ist etwas in einem Land zum Verkauf zugelassen, kann es grundsätzlich überall in der EU verkauft
werden. Warum übertragen wir diesen Grundsatz nicht auf die Landesbauordnungen? Ein
Standard, der in Berlin genehmigt wurde, würde dann auch in Brandenburg anerkannt.
• Ein erster Schritt auf dem Weg zur Musterbauordnung für ganz Deutschland könnte die Idee
des Landes Bayern sein, einen Gebäudetyp E einführen. Festgelegt werden dabei nur die
baurechtlichen Vorgaben aus Umweltschutz, Standsicherheit und Brandschutz – bei allem
anderen sind Bauherr und Architekt frei. Das Vorhaben der „Ampel“, bis Ende 2023 eine
„Leitlinie und Prozessempfehlung für Gebäudetyp E“ vorzulegen, wird begrüßt. Die rasche
Umsetzung ist Voraussetzung für einen nachhaltigen Wiederanstieg der Bautätigkeit.
6. „Moratorium“ beim Neubaustandard: Der schwächelnde Neubau, so Bundesfinanzminister
Lindner im März 2023, „hat auch etwas damit zu tun, dass Bauen so teuer geworden ist“. Er fügte
hinzu: „Da müssen wir uns dann vielleicht anschauen, ob die immer weiter verschärften
Standards zur Energieeffizienz im Neubau nicht kontraproduktiv sind.“ Dem ist nur zuzustimmen.
Seit Anfang 2023 ist der Effizienzhausstandard (EH) 55 der neue Neubaustandard. 2025 sollte
dieser auf EH 40 gesenkt werden. Fachleute schätzten die Mehrkosten auf rund 15.000 bis
20.000 Euro pro Wohneinheit.
• In ihrem 14-Punkte-Plan hat die „Ampel“ die Verankerung von EH40 als verbindlicher
gesetzlicher Neubaustandard als nicht mehr notwendig betrachtet und bis zum Ende der
Legislaturperiode ausgesetzt. Die Bauwirtschaft braucht aber ein verlässliches Signal, dass
dies auch über die Legislaturperiode hinaus gilt.
7. Bestandskaufförderung wieder aufnehmen: Die Abschaffung der Förderung des Bestandskaufs
ist auch aus Nachhaltigkeitsgründen nicht nachvollziehbar. Wer alt kauft, muss meist auch
modernisieren. Diese Doppellast muss abgemildert werden. Ansonsten heißt es: Abschied
nehmen von der Vorstellung, sich als Normalverdiener, der kein Erbe in die Finanzierung
einbauen kann, in Großstädten und angrenzenden Regionen noch Wohneigentum leisten zu
können.
• Durch die Unterstützung von „Jung kauft Alt“-Modellen können Hürden beim Erwerb gesenkt
werden. Dafür hat das empirica-Institut Berlin eine Vorlage geliefert und Modellprojekte
vorgeschlagen, die mit Mitteln aus der Städtebauförderung vorangebracht werden könnten.
• Im 14-Punkte-Plan hat die „Ampel“ ein KfW-Programm für die Jahre 2024 und 2025
angekündigt. Mittel dafür sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds bereitgestellt
werden. Auch hier wäre die Verabredung einer langfristigen Finanzierungshilfe
wünschenswert.
• Eine entsprechende Unterstützung erwarten wir uns auch bei Modellprojekten zum
„Mietkauf“.
8. Nachbesserung beim neuen Wohneigentumsprogramm: Am 1. Juni 2023 trat ein neues
Wohneigentumsprogramm in Kraft. Dafür wurden im Haushalt 350 Millionen Euro vorgesehen.
10 Milliarden Euro waren es beim Baukindergeld – verteilt auf drei Jahre. Es gibt nur noch
zinsverbilligte KfW-Darlehen, keinen Zuschuss mehr; und das nur, wenn der Neubau besonders
energieeffizient ist, was ihn noch teurer macht. Eine Mehrheit der zum Start des Programms
förderberechtigten Schwellenhaushalte konnte sich diesen extra hohen Standard selbst mit
Förderung nicht leisten. Tatsächlich hatten in den ersten zwei Monaten nach dem Start des
Programms bundesweit erst rund 200 Familien diese Förderung beantragt.
• Im 14-Punkte-Plan wurde eine Anhebung der Kredithöchstbeträge um 30.000 Euro
vereinbart. Außerdem wurde die Grenze, bis zu dem ein zinsvergünstigtes Darlehen
beantragt werden kann, von 60.000 Euro/Jahr auf 90.000 Euro/Jahr angehoben.
Verbesserungen des KfW-Programms gelten seit Mitte Oktober. Damit können zwar mehr
Familien das Programm in Anspruch nehmen. Bei einer unveränderten Höhe der
Finanzierungsmittel dürfte aber die Gefahr bestehen, dass diese schnell aufgebraucht
werden. Die Erfahrungen mit dem Solardachprogram für E-Autos, bei dem 300 Millionen
Euro bereits am ersten Tag ausgeschöpft waren, zeigen die Problematik solcher „Push-
Programme“, wenngleich die Mittel bei einem Zinsverbilligungsprogramm natürlich länger
reichen als bei einem Zuschussprogramm.
• Die Neubauförderung muss wieder um eine Bestandsförderung ergänzt werden (siehe auch
Punkt 7). Um Haushalten über die Schwelle zum Wohneigentum hinwegzuhelfen, bedarf es –
auch als Ausgleich für die deutliche steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus via
degressiver AfA – zusätzlicher Finanzierungsmittel: aber zielgerichtet – nicht mit der
Gießkanne, die Preis- und Mitnahmeeffekte provoziert; sozial treffsicher und mit Anreizen,
die zu zusätzlichen Anstrengungen motivieren; langfristig angelegt, nicht als kurzfristige
Strohfeuer.
9. Sanierungspflicht – sozialpolitischer Sprengstoff: Die Furcht vor überzogenen
Sanierungspflichten hat für eine große Verunsicherung gesorgt und damit zu einem
Investitionsattentismus geführt. Sie drohten zum sozialen Sprengstoff zu werden. Durch die
Neujustierung des „Heizungsgesetzes“ ist jetzt etwas mehr Ruhe eingekehrt. Gleichwohl hat sich
das Thema noch nicht erledigt. „Fordern und Fördern“ müssen sozial treffsicher im Gleichgewicht
gehalten werden. Die Menschen müssen langfristig darauf vertrauen können.
• Die „Ampel“ ist aufgerufen, in Berlin eine Förderkulisse zu verabschieden, die dem weit über
diese Legislaturperiode hinaus gerecht wird.
• In Brüssel muss sie gegensteuern. Investitionskosten von Hauseigentümern und zu
erwartende Einsparungen müssen in einem vernünftigen Verhältnis stehen
(Wirtschaftlichkeitsgebot). Das gilt insbesondere für die Neuskalierung der Effizienzklassen
im Zuge der sogenannten Gebäuderichtlinie: Künftig sollen 15 Prozent des Gebäudebestands
mit der schlechtesten Gesamteffizienz in die Klasse G einsortiert werden, die dann bis 2027
durch Sanierung die Klasse E erreicht haben müssen. Haben einzelne Mitgliedsstaaten bereits
hohe Sanierungsleistungen erbracht – und Deutschland zählt dazu – wird das nicht
berücksichtigt. Hier müssten zusätzliche Anstrengungen erbracht werden, die viele Haushalte
finanziell überfordern würden.
• Der Vorschlag der Bundesbauministerin, auf einen technischen Sanierungszwang für einzelne
Wohngebäude zugunsten eines Quartieransatzes zu verzichten, verdient Unterstützung –
genauso wie das Petitum im 14-Punkte-Papier, verpflichtende Sanierungen einzelner
Wohngebäude auszuschließen. Die dort getroffene Aussage, sich dafür bei den
Verhandlungen in Brüssel einzusetzen, muss allerdings präzisiert werden. Die „Ampel“ muss
deutlich machen, wie sie einen Neustart des europäischen Vorhabens erreichen will.
10. Potenzial der Bausparer verstärkt für Klimaschutz nutzen: Mehr Wohnraum, im Eigentum und
zur Miete, bezahlbarer Wohnraum und klimaneutraler Wohnraum: Hier müssen Zielkonflikte
aufgelöst werden. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die eine neue Gemeinschaftsinitiative
verlangt. Die Bausparkassen sind bereit, hier mitzumachen. Jedes Jahr zahlen sie rund 20
Milliarden Euro an Baugeldern aus, die für energetische Sanierungen verwendet werden.
Millionen von Bausparern haben Milliarden von Euro gespart, um für sich und ihre Familien
Vorsorge zu betreiben. Dieses Potenzial gilt es verstärkt zu nutzen.
• In den Blick könnte beispielsweise die Wohnungsbauprämie genommen werden. Sie ist ein
geeignetes Instrument, um nicht nur die Vermögensbildung mit Wohneigentum, sondern
auch den Klimaschutz im Gebäudesektor voranzubringen. Denn jeder Erwerb von
selbstgenutztem Wohneigentum, egal ob Neubau oder Bestand, ist aufgrund von
gesetzlichen Vorgaben an die Energieeffizienz von Häusern und Wohnungen künftig ein
Beitrag zum langfristigen Ziel eines klimaneutralen Immobiliensektors.
• Mit einer verbesserten Förderung könnte mittel- und langfristig mehr privates Kapital für den
energetischen Umbau des Gebäudebestandes mobilisiert werden.